Swiss Alpine 2009

Tag 1 - Anreise und Hitzeschock
Im Startgeld ist zwar das Ticket für die Bahn gleich mit drin, trotzdem nutzen wir das Auto und lassen uns von Navi "Else" nach Davos leiten. In Konstanz merken wir dann was für eine blöde Idee das war, denn Else denkt nicht im Traum daran uns Richtung Grenze zu leiten, sondern führt uns quer durch Konstanz. Als wir dann vor einer Fußgängerzone stehen, wird Else ignoriert und nach Schildern gefahren. Basta. Erst nach Kreuzlingen kriegt sie sich wieder ein und führt uns nach Davos.
Um 11 Uhr sind wir im Rheintal und das Außenthermometer zeigt schon 32°C an. In Davos angekommen ist es nicht viel besser. Also schnell Hotelzimmer beziehen und die Gästekarte abholen, denn damit fährt man im Sommer mit allen Davoser Bergbahnen kostenlos. In Anbetracht der Temperaturen wirken die Bergbahnen noch verlockender als sonst.

Als erstes nutzen wir die Zahnradbahn um auf die Schatzalp zu fahren. Isolde lässt während der Fahrt schon mal den K42 vor dem inneren Auge vorbeiziehen.
Oben auf 1861m ist zwar auch noch warm, aber es weht ein angenehmer Wind. Nja, angenehm ist der falsche Ausdruck. Das Essen fliegt uns fast davon.

Auf der anderen Seite des Tals liegt das Jakobshorn mit 2590 Hm und unten Davos (1540 Hm). Bei dem Anblick bekommt man doch ein bisschen Respekt vor den 1300 Hm, die es am Samstag von Bergün zur Keschhütte hochgehen wird. Aber zum Glück sind Micha und Silvia dabei. Sie kramen Wanderkarten und eine alte Swiss Alpine Ausschreibung hervor. Die Ausschreibung verspricht pfeifende Murmeltiere nach der Keschhütte. Na, wenn das kein Grund ist den K42er zu laufen...

Weil das Wetter so schön ist, beschließen wir zurück zum Hotel zu wandern.
Ja, wir sind Fußföhner, bergauf fahren und bergab wandern. Aber der anstehende Swiss Alpine zählt als Ausrede.

Abends geht es dann noch auf die Marathon Messe. Diese findet in der Arkaden Turnhalle statt und entpuppt sich als Marathon Messchen. Da haben selbst kleine Volksläufe teilweise mehr zu bieten. Ist aber eigentlich gar nicht so schlecht, denn so verfallen wir wenigstens in keinen Kaufrausch, was hier doch sehr teuer werden kann. Schweizer Normalpreis minus super Marathon Messchen Rabatt entspricht deutschem Normalpreis plus 10% ... oder so ähnlich.

Tag 2 - Sertigtal bestaunen und Höhenluft schnuppern
Traumhaftes Wetter beim Aufstehen, aber die Wetteronkels haben für nachmittags heftige Gewitter vorhergesagt. Also, schnell zum Frühstück, ausgiebig geschlemmt und dann ab in den Bus nach Sertig Dörfli. Mit der Hotelkarte kosten zwar die Ortsbusse und Bergbahnen nichts, aber in die etwas entlegenen Winkel muss man dann doch wieder draufzahlen. 11 Fränkli für Hin- und Rückfahrt von Clavadel ins Sertig Dörfli. Was soll's. Die Schönheit des Tals ist das Geld wert.

Im Sertig Täli entdeckt Micha sogar sein Traumhaus.

Von Sertig Dörfli geht's in gemütlichem Tempo zum Wasserfall. Dabei inspizieren wir Teile der früheren Swiss Alpine Strecke. Die war damals offiziell "nur" 67 Km's lang und da 67 Km's ein bisschen dürftig sind, wurden irgendwann noch 11 Km's draufgepackt. Seither haben die Bewohner des Sertig Täli am letzten Juli-Samstag ihre Ruhe.
Trotzdem herrscht bei uns schon ein bisschen Swiss Alpine Stimmung und es kommt Vorfreude auf den morgigen Tag auf.

Wieder zurück in Davos wird's endlich Zeit ein paar rote Blutkörperchen zu produzieren. Deshalb mit der Seilbahn rauf aufs Jakobshorn und dort erst mal speisen. Kaum haben wir uns für ein Essen entschieden, reißt die Kellnerin unserem Micha die Karte aus der Hand. "Gibt ab jetzt nur noch die Nachmittagskarte". Es ist 13:45. Gut, dann eben nur Salat. Ist auch lecker, aber die Aktion war trotzdem doof.
Nach dem Essen wird noch ein bisschen hin und her spaziert. Dabei treffen wir Axel (ist mit einer ganzen Lauftruppe da und läuft am nächsten Tag auch den K42 in einer Wahnsinns-Zeit) und Volker, meinen Kumpanen vom letztjährigen C42. Er läuft diesmal den Großen, hat aber schon den Rennsteig (natürlich den Ganzen) und den Ulmer 100er in den Knochen.

Das Wetter hält überraschend lange, sodass trotz der schlechten Wettervorhersage das alljährige Straßenfest aufgebaut wird. Es ist schon in vollem Gange während wir zum Nudeln verspeisen schlappen. Erst als wir im Restaurant sitzen beginnt es zu scheppern und schütten. Uns bleibt nur zu hoffen, dass sich das Wetter bis morgen beruhigt.

Tag 3 - Mit dem Zug nach Bergün und zu Fuß zurück
Micha steht schon vor 6 Uhr auf um rechtzeitig am Start des K31 zu sein. Er nutzt diesen Lauf als ersten Vorbereitungslauf auf dem Weg zum Berlin Marathon.
K78-Erprobte sagen gern, das man sich beim Swiss Alpine langsam hochdienen soll. Vor allem wenn man noch keine Erfahrung bei Berg- und Ultramarathons hat. Isolde und ich folgen dem Rat. Sie hat letztes Jahr den K31 gemacht und ich den C42 (+470/-1080 Hm). Jetzt wagen wir den Sprung auf den K42 (+1890/-1710 Hm).
Der Vorteil des K42 ist die Startzeit um 11:30 Uhr, der Nachteil der Startort ist Bergün. Das bedeutet rund eine Stunde Bahn fahren.
Zwar haben wir uns auch überlegt beim Start um 8 Uhr im Davoser Stadion vorbei zu schauen, länger schlafen und ausgiebig frühstücken, klingt dann aber doch verlockender. Allein sind wir beim Frühstück nicht, ein paar Angebershirts vom Swiss Alpine 2008 sind auch zu sehen, während gleichzeitig die K78er, C42er und K31er schon durch Davos rennen.

Kurz vor 9 Uhr treffen wir Silvia, Fan und Star-Fotografin, auf dem Weg zum Bahnhof und lassen uns noch kurz ablichten bevor wir uns in die Meute, die schon am Bahnhof steht, mischen.
Am Bahnhof Wiesen bei Kilometer 25 treffen wir den Führenden. Es ist gerade erst 9:35 Uhr. Der Mexikaner hat ein unglaubliches Tempo drauf, läuft aber "nur" den C42 (ist aber fast 2 Stunden schneller als ich letztes Jahr...).

Während wir noch im Zug sitzen, durchquert Micha die traumhaft schöne Zügenschlucht. Dieser Streckenabschnitt ist ein Grund warum man in Davos auf jeden Fall einmal den K31, C42 oder eben gleich den K78 laufen sollte.

Der Zug endet in Bergün. Dort ist schon ein bisschen was los, aber richtig voll wird es erst durch uns K42er. Der Streckensprecher meldet zu unserer Begrüßung 2°C von der Keschhütte, was von der Läuferschar durch ein Raunen quittiert wird.
Gegen 10:30 Uhr kommen schon die ersten K78er in Bergün an. Die haben jetzt natürlich eine super Kulisse, da die meisten K42er nicht wissen was sie hier in Bergün bis zum Start treiben sollen (uns geht es natürlich auch so). Also werden eben die "Großen" angefeuert.
Kurz vor 11 Uhr geht's nochmal Richtung Toiletten. Bei den Mädels ist leer, die Jungs stehen Schlange. Was wir zum Glück nicht bekommen, auf der Keschhütte schneit es gerade. Ansonsten hätten wir unsere Kleiderwahl vielleicht nochmal revidiert. So wird die lange Tight im "Effekten"-Transport (ja, man muss sich an manche Schweizer Begriffe erst gewöhnen) wieder zurück nach Davos geschickt.

Micha ist zu diesem Zeitpunkt schon längst durch das Ziel in Filisur gelaufen. Er war zu schnell für Silvia, deshalb gibt's diese Mal kein Zieleinlauf-Foto. Wie man an der Zahl  der Tasche und Rucksäcke sieht, sind die restlichen K31er noch unterwegs, während Micha seine "Effekten" schon abholt.
 
Für uns zwei geht es derweil zum Start an die Sägerei. Der Startort ruft natürlich sofort Assoziation hervor, aber zum Thema Versägen kommen wir erst später.
Der Startplatz ist komplett überfüllt, an den Hängen laufen sich noch ein paar Läufer warm. Wir bleiben ganz hinten. Das hat den Vorteil, dass man den Lauf unmöglich zu schnell angehen kann.
Kein "Conquest of paradise" am Start, aber dank knatterndem Hubschrauber über unseren Köpfen bekommen wir wenigstens ein bisschen "klassisches" Swiss Alpine Start Feeling ab. Punkt 11:30 Uhr werden wir auf eine kleine Schleife um Bergün geschickt. Die Schleife muss sein, damit sich das Feld ein bisschen auseinander zieht, ob sie aber tatsächlich gleich so wellig sein muss, ist eine andere Frage. Einrollen kann man hier aber vergessen. Zum einen geht es natürlich entweder bergan oder ein bisschen zu steil bergab, und zum anderen wird die Laufgeschwindigkeit durch die Läufer in der direkten Nachbarschaft vorgegeben. Überholen ist schwierig. Nach rund einem Kilometer sind wir wieder in Bergün und dürfen endlich die Strecken mit den K78ern teilen.
Der Streckensprecher ruft uns noch hinterher: "Leichter Anstieg bis Chants". Als "Schwizer" weiß er wahrscheinlich nicht, dass ein 10 Km langer Anstieg mit durchschnittlich 5% für die meisten hier alles andere als sanft, geschweige denn "leicht" ist.

OK, es ist zunächst wirklich nicht so heftig, also tipple (von laufen kann hier nicht die Rede sein) ich eben doch die ersten Meter, obwohl ich mir fest vorgenommen hatte den ganzen Anstieg zu wandern.
Blöd ist eigentlich nur, dass es jetzt regnet. Nicht wirklich störend, aber das müsste jetzt nicht sein.

Kurz vor Km 5 hört der Regen zum Glück wieder auf. Schildchen geknipst, auf die Uhr geschaut (35min). Nicht gerade ein Rekordtempo heute.
Dann kommt der erste Pfad mit ernst zu nehmender Steigung und sofort verfallen alle Tippler ins Wandern. Der ist aber nur kurz und nicht mehr als ein winziger Vorgeschmack auf das was später noch kommen wird.
Interessant ist übrigens zu sehen, dass sich manche Läufer tatsächlich auf ein Biwak eingestellt haben, während andere gar nichts dabei haben.

Die Landschaft ist traumhaft und ich bin nicht der einzige der munter vor sich hin knipst. Ein Mitläufer bemerkt: "Das Fotografieren ist eine gute Ausrede für die ganzen Pausen..."

Ich werde die ganze Zeit gejagt. Isolde ist gut drauf und überholt mich beim Steinchen aus dem Schuh holen. Sie wird aber gleich wieder eingefangen. Kurz drauf geht's mal kurz neben den Weg um die Pflanzen zu gießen und schon ist sie wieder vorbei. Der Foto-Beweis links oben mit der Läuferin in der roten Billig-Discounter-Weste (die Weste leistet aber überraschend gute Dienste auf dem Berg).
Bis kurz vor Chants bleiben wir zusammen. Danach ist aber Schluss mit dem Hin-und-her überholen. Am Anstieg wird sie gnadenlos versägt.

Die meisten Läufer sind hier kurz vor Chants gar keine Läufer mehr, sondern nur noch Wanderer in Laufkluft. Mittlerweile haben sich vereinzelt und ganz heimlich Jungs und Mädels mit roten Nummern (K78) unter uns Läufer in blau gemischt.
Die meisten sehen zwar noch überraschend frisch aus, doch sobald man sie darauf anspricht, können sie erstaunlich gut jammern. Fairerweise muss man nochmal erwähnen, dass sie schon 3,5 Stunden länger als wir unterwegs sind und zum jetzigen Zietpunkt schon mehr Kilometer in den Knochen haben als wir K42er überhaupt laufen.

Endlich ist Kilometer 10 erreicht und 100m weiter das Bergdörfli Chants. Die Uhr zeigt 1 Stunde 17. Hab gar nicht gewusst, dass ich mich so langsam fortbewegen kann.
Egal, erst mal zum Verpflegungsstand und von den leckere Brötchen und den Riegeln speisen (ist ja schon 12:47 Uhr, das Mittagessen ist überfällig).

Bei Chants endet die Zivilisation. "Touris" können bis hier mit dem Bus fahren und dann weiterwandern.
Ein letzter Blick zurück ins Tal mit Chants auf der rechten Seite, dann beginnt die Kraxelei. Bis zur nächsten Verpflegungsstelle Valzana in 1,5 Km geht's noch relativ human durch den Wald (nur ca. 10% Steigung), aber trotzdem sehe ich hier keine Tippler mehr, nur noch vorn über gebeugte Wanderer.

Ab Valzana geht endgültig das Geschnaufe los, von hier sind's noch 680 Hm's auf 4,2 Km's. Jetzt sieht man wie langsam sich (angeblich) trainierte Läufer fortbewegen können.
Die meisten blicken nur noch stur auf den Boden, wollen gar nicht in die Ferne schauen. Da geht's nämlich nur hoch und das kann je nach aktueller Verfassung ganz schön frustrierend sein.
Aber ein Blick zurück hilft. Man sieht, jeder schlappt hier in einem Schneckentempo hoch und keucht trotzdem wie eine Dampflok mit Ventilschaden.

Außerdem lohnen sich die Blicke in die Landschaft. Es ist traumhaft schön hier oben, in jeder Himmelsrichtung Bergidylle pur. Da man sich im Schneckentempo fortbewegt, bleibt zumindest theoretisch genug Zeit um die Landschaft zu genießen. Nur das mit dem Genießen ist am Anstieg bekanntlich so eine Sache für sich...
Die Bilder können die Schönheit der Landschaft leider nur ansatzweise wiedergeben.

Langsam werden die ersten weißen Stellen an den Bergen sichtbar, aber die Keschhütte ist weit und breit nicht zu sehen. Ein K78er hat geschrieben, dass man vom ersten Blick auf die Keschhütte bis hoch noch eine dreiviertel Stunde braucht. Wenn dem so ist, könnte sie sich langsam schon mal blicken lassen.

Mit sehr viel Fantasie kann man auf dem Bild oben links die Keschhütte rechts neben dem Buckel in der Mitte sehen (ich weiß, das Bild ist zu klein).
Der K78er hat gelogen oder war noch lahmer als ich. Wahrscheinlich beides :-) . Ab hier kommt wieder richtig Motivation auf. Bis nach oben sind's noch rund 20 Minuten.
Unten rechts ein Blick zurück. Da kommen wir her.

Am Fuß schneebedeckter Berge. Auf den beiden Bildern rechts die Keschhütte, einmal aus der Ferne und einmal fast in Reichweite (nja, ein paar Minuten sind's schon noch). Unter der Hütte steht in riesigen gelben Buchstaben "Keschhütte". Aber ausgerechnet das Bild ist natürlich unscharf geworden... (nja, was gelbes kann man ja erkennen) und wer's nicht glaubt, soll nächstes Jahr selbst hin.

An der Keschhütte springt neben mir eine Läuferin in die Luft und stößt einen Freudenschrei aus. Nunja, die Keschütte ist zwar der höchste Punkt der Strecke, aber die Schlüsselstellen kommen erst noch. Aber was geleistet haben wir doch. Da kann man den Freudenschrei durchaus rechtfertigen.
An der Keschhütte geht's natürlich gleich mal wieder ans futtern. Was sonst?
Die Brötchen und Riegel sind auch hier oben super lecker. Nur das Wasser ist eiskalt. Wie eben auch die Umgebungstemperatur. Die zu leicht bekleideten Läufer lassen sich vom Veranstalter Müllsäcke geben. Die Müllsäcke haben zwei Löcher für die Arme, sodass sie als Weste benutzt werden können. Einen Raschelsound gibt's für den weiteren Lauf auch noch gratis dazu. Außerdem prangt auf den Müllsäcken (wie sonst auch fast überall) natürlich der Name des Hauptsponsors. Dann schleppe ich doch lieber meine eigene Weste auf den Berg.
Ich stelle mich ein bisschen abseits, beobachte die Ankunft weiterer Läufer, äh, eher Wanderer und krame Ärmlinge, Handschuhe, Mütze und Weste hervor. Der Wind sorgt dafür, dass es sich hier noch kälter anfühlt als es ohnehin schon ist und die Sonne versteckt sich mittlerweile hinter der zunehmenden Zahl an Wolken. Kein Wunder, dass die Helfer und Docs hier oben dicke Winterjacken tragen.
8 Minuten verbringe ich hier mit essen, anziehen und Foto verstauen. Fast hätte mich Isolde wieder gehabt, aber nur fast.

Zum Abschluss noch kurz auf die Wegschilder geschaut. 1 1/2 Stunden bis zur Alp Funtana. Nja,  das sollte leicht zu schaffen sein. Das sind nur 7 Kilometerchen und die natürlich auch noch bergab.
Zunächst geht es auf einem schmalen, unebenen und steinigen Weg hinunter. Einige tun sich hier ziemlich schwer. Ensprechend vorsichtig tasten sie sich voran. Da hier auch die K78er noch bei uns sind, ist es sehr voll und überholen bringt nicht viel, da die Gruppen zu groß sind. Nur das Hemdchen vor einem ändert sich nach einem Überholvorgang. Außerdem klappt das Überholen nicht immer ganz wie geplant. Wagt man sich zu weit neben den Pfad kann es sein, dass man doch nicht vorbeikommt und beim Wiedereinfädeln in die Schlange noch kurz von hinten jemand vorbeihuscht...
Zurück zur Natur. Wurden hier nicht die pfeifenden Murmeltiere versprochen? Tatsächlich, ein paar Meter weg von der Keschhütte sind ständig kurze Pfiffe zu hören. Ich versuche die Tierchen auch visuell zu erhaschen, bleibe dazu auch kurz stehen, habe aber leider keinen Erfolg. Müsst ihr euch eben mit diesen Bildern hier zufrieden geben.

Endlich biegen die K78er auf den Panoramatrail ab. Da es dort gleich wieder leicht bergan geht, beneide ich sie in diesem Moment nicht um ihre Strecke, aber das wird sich bald ändern.
Es ist deutlich zu spüren, dass nur noch halb soviele Läufer auf der Strecke sind. Es bilden sich zwar nach wie vor Grüppchen. Die lassen sich jetzt aber leichter überholen, da sie deutlich kleiner sind.
Aufgrund des Wetters der letzten Tage kreuzen alle paar hundert Meter kleine Bäche die Laufstrecke. Jedesmal kommt die Gruppe dabei ins Stocken, da fast alle Läufer versuchen über die Steine, die aus dem Wasser ragen, zu balancieren, damit die Ballerina-Füßchen nicht nass werden.
Das ist genau das richtige Terrain für meine Matschplatscher an den Füßen. Die machen hier ihrem Namen alle Ehre und sollen außerdem sogar wasserdicht sein. Also wird nicht über die Bäche balanciert, sondern gelaufen. Zugegeben, ich bevorzuge auch die Steine als Auftrittfläche, verfalle dabei aber nicht ins Gehen.
Die Quittung kommt sofort. Zweimal treffe ich die Steine nicht ideal und prompt spritzt das Wasser nur so ... einmal in den linken und einmal in den rechten Schuh. Damit ist dann auch der Gegenbeweis erbracht, beide Schuhe sind nicht wasserdicht.
Andererseits soll Swiss Alpine Cheffe Andrea Tuffli gesagt haben, dass diejenigen, die mit trockenen Füßen nach Davos zurückkommen, disqualifiziert werden. Davor brauche ich jetzt keine Angst mehr zu haben.

Hier in diesem Bergtal zwischen Keschhütte und Alp Funtauna fühlt man sich fernab jeglicher Zivilisation. Hierher kommt nur wer es sich auch verdient hat. Bahnen gibt es hier zum Glück nicht.
Ein malerisches Tal. Man kann das leider nur bedingt genießen, da man häufig auf den Weg achten muss. Aber auch das macht das Laufen hier so schön. Kein Asphalt- oder sauber gefegter Schotterweg sondern ein nicht ganz einfacher Trampelpfad, der ein bisschen Koordination erfordert, führt uns zum nächsten Verpflegungspunkt.
Statt Bildchen zu machen, freue ich mich lieber der Schönheit der Strecke. Sorry...
Erst an der nächsten Verpflegungsstelle, der Alp Funtauna, packe ich den Foto wieder aus. Die beiden Bilder oben zeigt das Tal. Die kleinen Strichchen und Punkte sind Läufer, die uns folgen.

Der Blick in die andere Richtung ist dagegen schokierend. Da vergeht mir sogar fast die Lust auf die leckeren Brötchen an der Verpflegungsstelle (aber nur fast). Vor uns steht eine senkrechte Wand. OK, nicht ganz senkrecht, aber es fehlt nicht viel.
Das wäre nicht das Problem. Aber an der Wand befinden sich unzählbar viele Läufer, die in Schikanen die Wand erklimmen. Das sollen wir hoch??? Hätte ich doch bloß den K78er gemacht. Das ist wahrscheinlich der Grund warum Ultralauferfahrene, die sowohl den K42 und den K78er kennen, sagen: "Du läufst du den K42? Du Armer, da mache ich doch lieber den 78er."

Mit Laufen ist es hier also schon wieder vorbei. Waren doch so schön die 7 Km's von der Keschhütte bis hierher.
Ein paar Minuten bleibe ich an der Verpflegungstelle. Ich bewundere die muntere Schar vor mir beim Platttreten der Wand. Da dies aber keinen offensichtlichen Erfolg zeigt und somit die Steigungsprozente gleich bleiben, reihe ich mich irgendwann doch wieder in die Wanderschar ein. Vor uns liegen 2,6 Km's mit über 400 Höhenmetern, wobei es im unteren Teil steiler ist, oben, wo wir mit den K78er wieder denselben Weg teilen dürfen, wird es flacher.

Nachdem das Pfeifen der Murmeltiere auf halber Strecke zur Alp Funtauna nicht mehr zu hören war, ist es hier am Anstieg plötzlich wieder da. Es stellt sich aber heraus, dass es hier keine Murmeltiere sind. Es sind die wandernden Gestalten mit Startnummern auf der Brust. Die pfeifen jetzt aus dem letzten Loch.

Die Socken mitsamt der Füße sind mittlerweile wieder ziemlich trocken. Scheinbar sind die Schuhe doch wasserabweisend, sodass sich die Wassermenge, die sich ihren Weg in die Schuhe gesucht hatte, nicht groß war. Unklar bleibt jedoch ob die Socken getrocknet sind oder ob das Wasser in den Schuhen mittlerweile gefroren ist. Denn es ist hier ziemlich kühl und zudem bläst ein eiskalter Wind die Wand runter. Trotz Steigung und entsprechender Anstrengung ziehe ich die Ärmlinge, Handschuhe und Mütze nicht aus. Die Weste ist in diesem Moment mehr als Gold wert.

Auf dem Weg zum Scalettapass gibt es dann endlich auch die versprochenen Schneefelder und zwar nicht zu knapp. Kurz vor dem Pass stehen Zuschauer und feuern uns an: "Hopp, hopp, hopp."
Das ist zwar nett gemeint, wirkt aber ziemlich seltsam wenn man mit gut 2 km/h den Berg hinaufschleicht und die Nase aufgrund der Steigung fast den Boden streift. Aber Klatschen ist auch doof. Mit dicken Winterhandschuhen klingt das immer ziemlich komisch, und die Zuschauer, die keine Handschuhe tragen, haben die Hände verständlicherweise ganz tief in den Taschen vergraben.

Oben am Scalettapass hat sich der Doc platziert. Er steht so, dass jeder an ihm vorbei muss, und zwar in einer Einerreihe. Er schaut jeden an und fragt mit Namen nach dem Befinden. Wer falsch antwortet, schweigt oder kaputt aussieht, fliegt raus und muss sich mit dem "Heli" zurück nach Davos bringen lassen. Das sagen zumindest manche :-)
Ganz so schlimm ist es natürlich nicht. Nur stark überanstrengten Läufern wird eine Zwangspause verordnet. Das muss dann aber nicht gleichbedeutend mit dem Ende des Rennens sein.
An dieser Stelle passieren die K78er Kilometer 60. Wir haben hier noch nicht einmal läppische 24 Km's in den Knochen.

Alles drängt sich um den Getränketisch, es ist fast unmöglich bis vor zum Tisch zu dringen. Die armen Helfer kommen mit dem Boullion einschenken gar nicht hinterher.
Der eiskalte Wind ist immernoch da. Nur wirkt er hier auf dem Kamm noch stärker. Die gefühlte Temperatur dürfte kaum über 0°C liegen. Daher trinke ich nur einen Becher, verzichte auf das Bilder knipsen und begebe mich auf den angeblich schlimmsten Streckenabschnitt. 4,3 Km's auf schmalen steinigen Pfaden bergab. 600 Meter Höhenverlust bis nach Dürrboden.
Überholen ist schwierig, da die meisten Läufer gern von links nach rechts schwenken/schwanken und somit den ganzen Weg brauchen. Plötzlich kommen von hinten ein paar Jungs angeprescht. Die ersten beäuge ich nur argwönisch und tippe innerlich mit dem Finger an die Stirn. Aber nachdem ich das Treiben lange genug betrachtet habe und die Jungs ohne Zusammenstöße an der schwankenden Meute vorbeikommen, hänge ich mich einfach an einen Flitzer dran. Das klappt super. Ist aber nur empfehlenswert, wenn man das bergab flitzen vorher schon einmal trainiert hat. Wer hier zu unvorsichtig ist und sich im Tempo verschätzt, liegt ziemlich schnell auf der Nase, und das unter Umständen sehr schmerzhaft.
Ich sehe zum Glück bis Dürrboden niemand, der stürzt.

In Dürrboden angekommen geht es um eine Linkskurve und über eine Holzbrücke. Dahinter weist uns ein Ordner neben den Weg, da ein Läufer, an dieser eigentlich ungefährlichen Stelle, schwer gestürzt ist. Er liegt mitten auf dem Weg und wird behandelt.

Ab Dürrboden sind es nur noch 14 Km's. Davon führt der Großteil durch das Dischmatal wo uns permanent ein leichter Wind entgegenbläst. Wir sind auf 2007m, das heißt wir liegen noch knapp 500m Meter höher als das Ziel. Wer hier noch Kraft hat, der kann es richtig rollen lassen. Wer aber nicht aufpasst, liegt auch hier wieder ziemlich schnell auf der Nase. Die Wege sind jetzt zwar wirklich ungefährlich und nicht schwierig zu laufen, aber tückisch, wenn man unkonzentiert ist oder im klassischen Marathonschritt (d.h. der Abstand zwischen Schuh und Boden ist in der Flugphase kleiner als 1cm) läuft. Wurzeln, Steine oder Brückchen tauchen hier immer wieder auf.

Isolde macht es vor. An einer Steinbrücke bleibt sie hängen. Ehe sie es wirklich realisiert, liegt sie schon auf dem Boden und hat den Daumen angebrochen, ein paar Prellungen und Schürfwunden. Ein Läufer fragt: "Are you fine?", aber dann steht sie auch schon wieder und kann zum Glück weiterlaufen.

Interessant ist es jetzt die Mitläufer zu beobachten. Während sie auf dem Weg zur Keschhütte selbst an steilen Stücken teilweise noch vor sich hingetippelt sind, verfallen jetzt fast alle an den kleinsten Gegensteigungen ins Gehen. Teilweise sind die Anstiege kaum von der Ebene zu unterscheiden. Sie werden aber konsequent gegangen.

Beim 75 Km Schild kommt der abschließende Hammer. Eine scharfe Linkskurve und dann liegt ein richtig fieser Buckel vor uns. Noch zwei, drei Laufschritte am Anstieg, dann ein kurzes Stöhnen und alles wandert, oder eher schlappt, den Buckel hinauf.
Die Mühe hat aber ihren Lohn. Oben folgt ein schmaler wunderschöner und sogar gut zu laufender Pfad durch den Wald oberhalb von Davos.

Am Ende des Pfads biegen wir auf einen breiten Waldweg ein. Die Halbmarathonis, die in Klosters gestartet sind, teilen aber hier mit uns die Strecke. Das sind aber in meinem Fall nicht mehr die Schnellen. Deren Tempo ist noch machbar und deshalb werden noch ein paar Läuferinnen und Läufer auf dem letzten Stück nach Davos versägt. Macht bekanntlich Spaß :-)
Micha und Silvia stehen irgendwo bei Km 40, schießen diese beiden Fotos und bekommen den (Lauf-)Foto in die Hand gedrückt. Der nervt mittlerweile und wird sowieso nicht mehr genutzt. Dann geht's weiter Richtung Stadion.

Ein Läufer hatte im Vorfeld gemeint, die letzten 200m im Stadion fühlen sich wie Laufen auf Samt an. Er hat recht behalten.
Das Faszinierende: Während sonst die halbe Ehrenrunde eher nervig ist, macht sie hier richtig Spaß. Man hat es geschafft, ist einmal quer durch die Berge gelaufen und wird hier von einem super Publikum empfangen.
Micha und Silvia schaffen es rechtzeitig zurück ins Stadion und schießen zum Abschluss noch ein Foto von Isoldes Zieleinlauf. Von dem angeknaxten Daumen ist nichts zu sehen. Die Freude überwiegt alles andere.

Das Wetter ist optimal. Einige Wolken sind da, aber größtenteils ist die Sonne zu sehen. Das Thermometer zeigt 15°C.
Zurück vom Duschen wird noch ein bisschen im Stadion die Stimmung genossen. Die Zahl der ankommenden Läufer scheint unendlich zu sein. Gegen 18:45 läuft Volker ins Ziel ein. Er hat den 78er wieder überstanden, ist aber ganz und gar nicht begeistert von seinem Trinkrucksack und rät mir niemals so ein Ding zu einem Lauf mitzunehmen, der soviele Verpflegungsstellen hat. Meine Gels haben übrigens auch den Lauf überstanden, da auch die feste Nahrung an den Verpflegungsstellen für mich ideal war.
Gegen 19:30 Uhr geht es dann mit Micha, Silvia und Isolde zum abschließenden Essen. Micha berichtet, dass er für den nächsten Swiss Alpine schon zugesagt hat und wieder den K31 laufen will. Isolde und ich wollten eigentlich mal was anderes machen, aber nächstes Jahr ist 25-jähriges Jubiläum und der 78er steht ja auch noch aus und der Swiss Alpine ist so schön, und, und, und ...

Markus Weisse