24.06.-27.06.2010
Staffellauf von Herrenberg nach Tarare
Fotobuch für alle, die mehr vom Lauf wissen wollen (70 MB)
Zwischenbericht
„Traumhaft schön“, schwärmte Clivia Schuker von den Erfahrungen in den frühen Morgenstunden am Ende des ersten Nachtlaufs auf dem Weg in französische Tarare: Vom Fluss aufsteigende Nebel und das weiche Licht kurz vor Sonnenaufgang hat die Mit-Organisatorin und die anderen Athleten so begeistert. Die Läufer, die indes später am Freitag gestartet waren, hatten anschließend mit der niederstechenden Sonne zu kämpfen.
Die rund 30 Läuferinnen und Läufer aus allen Herrenberger Teilorten und der näheren Umgebung, die seit Donnerstagmorgen auf dem Weg von Herrenberg ins französische Tarare sind, haben mittlerweile den Schwarzwald, das Rheintal und mehr als 200 Klometern in Frankreich hinter sich gelassen und laufen heute bis um Mittag entlang der Saône, um dann am Nachmittag die letzten Etappen in die französische Partnerstadt unter die Sohlen zu nehmen.
Zum Schluss des mehr als 600 Kilometer langen Staffellaufs warten dann heute Nachmittag französische Sportler auf die Staffelläufer, die dann gemeinsam um 16 Uhr in Tarare einlaufen werden.
Bislang sieht alles danach aus, dass der sehr eng gesteckte Zeitplan auch bis zur Ziellinie eingehalten werden kann. Dabei hatten die Teilnehmer sowohl krankheitsbedingte Ausfälle als auch eine notwendige Verlängerung der Strecke und die zeitweise enorme Hitze von über 30 Grad in den weitgehend schattenlosen Fluss- und Kanaltälern zu kompensieren.
Größere Pannen gab es – bis auf einen Verlauf-Umweg von rund drei Kilometern, einem leichten Sturz und einiger wegen Baustelle gesperrter Laufkilometer nicht. Dafür aber eine Fülle von sympathischen und spontanen Begegnungen: In Glatten hat ein Angestellter eines Natur-Freibades extra für die Läufer das eigentlich gesperrte Bad geöffnet. In Schiltach hat sich eine Museums-Angestellte kurzerhand zur Fremdenführerin erklärt und den dort startenden Läufern zuvor noch die Sehenswürdigkeiten der Stadt und die tolle Aussicht erklärt, während am Ufer der Doubs in Frankreich ein Anlieger die Läufer spontan in seinem Garten, der unmittelbar am Stab-Übergabe-Punkt liegt, in seinem Garten hat zelten lassen.
Abschlussbericht
640 ereignisreiche, abenteuerliche, spannende und vor allem anstrengende Kilometer liegen hinter den 35 Läufern, die am Samstagnachmittag pünktlich um 16 Uhr in Tarare eingetroffen sind. 640 Kilometer, das sind 56 Stunden voller menschlicher und tierischer Begegnungen, in denen stets zwei Läufer unterwegs waren.
Dass es überhaupt möglich war, nachts um eins durch ein komplett fremdes Gebiet zu rennen und dabei auch noch einen vorher vereinbarten Treffpunkt zu finden, der mal mitten in einer Stadt, mal an der Kreuzung von zwei kleinen, unbeschilderten Wegen lag, ging nur dank perfekter Vorbereitung: Günther Ansel hatte mit monatelanger akribischer Kleinarbeit, in der er unter anderem etliche Streckenabschnitte mit dem Rad abgefahren war, den Grundstein zu der makellosen Organisation gelegt, die durch das Engagement von Walter Uhl, Christoph Kopp sowie Clivia und Thomas Schuker abgerundet wurde. Jeder Läufer, jedes Fahrzeug war ausgestattet mit einem „Roadbook“ mit äußerst exakten Beschreibungen jedes Streckenabschnitts: Wegmarken und Übergabepunkte waren genau benannt, in Kartenausschnitten waren die Routen eingezeichnet.
Aber auch die Rahmenbedingungen stimmten: In Herrenberg und Umgebung waren Sponsoren gefunden worden, Lauftrikots wurden gestaltet und bedruckt, Fahrzeuge besorgt und dann auch noch Treffen mit französischen Läufern ausgemacht.
Die traurigste Nachricht erfuhren die Läuferinnen und Läufer indes schon einige Zeit vor dem Start: Günther Ansel, einer der treibenden Initiatoren und in der Streckenplanung federführender Organisator, konnte aus gesundheitlichen Gründen nicht mitlaufen. Was er geleistet hat, zeigte sich dann beim Lauf im Unterschied zwischen Computer und Mensch: Konnten sich die Läufer auf die Angaben, die in den Wegbeschreibungen unter anderem von Günther Ansel gemacht worden sind, hundertprozentig verlassen, so durften sie die Distanzangaben, die vom Computer errechnet wurden, nicht immer so genau nehmen: Aus zehn Kilometern wurden dann mal zwölf und umgekehrt. Was bei der Suche nach einem Treffpunkt irgendwo im französischen Nirgendwo auch mal zu leichter Verwirrung geführt hat. Aber gefunden haben sich dann doch alle zur Staffelübergabe.
Etappen zwischen zehn und 15 Kilometern hatten die Läufer zu bewältigen mit Zeitvorgaben zwischen sechs und fünf Minuten pro Kilometer – was manche Sportler natürlich nicht daran gehindert hat, deutlich schneller durchs Gelände zu hirschen. Und das, obwohl bei den Tagesetappen bei Temperaturen von zeitweise mehr als 30 Grad die Sonne unbarmherzig niederstach.
Nachdem der Startschuss am Donnerstagmorgen um 8 Uhr auf dem Herrenberger Marktplatz gefallen war, ging es über Mötzingen und Hochdorf in den Schwarzwald hinein. Hinterm Kinzigtal kam dann die große Steigung hinauf auf die Passhöhe bei Heidburg. In der ersten Mitternachtsetappe erreichten Thomas Schuker und Volker Kapp bei Neuenburg den Rhein und damit die französische Grenze. In Frankreich waren die Flüsse Doubs und Saône die meiste Zeit die steten Begleiter der Läufer, die weiterhin rund um die Uhr abwechselnd liefen.
Spätestens am dritten Tag bekam der Staffellauf etwas Forrest-Gump-mäßiges: Ganz so, wie bei dem leicht skurrilen Helden aus dem gleichnamigen Film drehte sich rund um die Uhr alles nur noch ums Laufen, wie der Lauf-Fahrplan von Bus 4 zeigt: In dem blauen Renault Master waren die beiden Herrenberger Jochen Nüssle und Julian Krause, die beiden Tennentaler Simon Mex und Jonathan Stahl sowie der Nufringer Kurt Eisenhardt, der zusammen mit dem Schreiber dieser Zeilen zusammen gelaufen ist, unterwegs: Die sechs waren in Etappen am Freitag bis zum Nachmittag entlang der Doubs rund 40 Kilometer gelaufen, schnell etwas zu Essen besorgt und sofort mehr als 150 Kilometer zum nächsten Übergabepunkt nach Chalon-sur-Saôn gefahren, dort die Übergabestelle gesucht, anschließend eine möglichst nahegelegene Übernachtungsmöglichkeit. Am Abend dann kurz in einem kleinen Restaurant in der schönen Altstadt ein paar frisch zubereitete Nudeln und Tortellini gegessen, um noch vor 22 Uhr unter freiem Himmel in die Schlafsäcke zu kriechen, damit man sich morgens die Zeit für den Zeltabbau sparen kann, weil ja um drei der Wecker wieder klingelt und um vier Uhr am Morgen die nächste Etappe ansteht.
Die indes entschädigte dann für alle Strapazen: Vom untergehenden Vollmond auf der rechten und der aufgehenden Sonne von der linken Seite sanft beleuchtet, ging es auf einem alten Treidelpfad weit ab von jedem Verkehr entlang der morgendlich-dampfenden Saône, nur mal kurz von einem Biber begleitet und alle paar Kilometer an einem einsamen Angler vorbei.
Die letzten Etappen allerdings, die von der Saône weg in Richtung Tarare führten, verlangten dann den Läufern, denen schon die Distanzen der vorigen Abschnitte in den Waden steckten, alles ab: In der brütenden Mittagshitze kämpften sich unter anderem zwei der jüngsten Läufer über die teilweise knackig-steilen Hügel de Beaujolais: Alexander Kapp und Felix Kopp trugen den Staffelstab nach Pontcharra, wo sich alle Läufer trafen, um die letzten fünf Kilometer, begleitet von den Radfahrern des RV Kuppingen, anzugehen, so dass es am Samstag Punkt 16 Uhr zum großen Finish in Tarare kam: Unterstützt von lautem Applaus der am Straßenrand Spalier stehenden Franzosen ging es über die für das Mousselin-Fest geschmückten Straßen bis zum Rathaus, wo die Prominenz beider Städte die Läufer begrüßte und beglückwünschte.
Splitter
Ein Gedicht von Günther Ansel…
… hat Renate Krusche-Lindner unmittelbar vor dem Start vorgelesen: Damit er wenigstens in den Gedanken der Läufer mit unterwegs sein kann, hat er ein Gedicht mit den besten Wünschen für den Lauf und für tolle Erlebnisse verfasst, Aber auch ohne dieses Gedicht war er ohnehin durch das brillante „Roadbook“ immer mit dabei.
Eine geschlossene Schranke…
… war das i-Tüpfelchen eines recht verkorksten Nachtlaufs zwischen Hausen und Fessenheim. Petra Kopp und Renate Krusche-Lindner wurden durch den mitternächtlichen Wald zunächst von ihrem Begleit-Fahrzeug eskortiert. Doch schon bald mussten alle Beteiligten erkennen, dass dort, wo ein Läufer auf den immer enger werdenden Wegen locker durchkommt, Kleinbusse durchaus Probleme bekommen. Als der Bus endlich quasi auf der Stelle gewendet und scheinbar einen Weg aus dem unbekannten Wald heraus gefunden hatte, kam die erwähnte Schranke ins Spiel: Anstatt den Wald nach der Irrfahrt endlich verlassen zu können, ging es auf eine neuerliche Odyssee, bis endlich Läufer und Bus die vorgesehene Strecke wieder erreicht hatten.
Im Graben gelandet…
… ist Claudia Brenner gleich auf der dritten Etappe: Auf einem der wenigen Teilstücke die am Straßenrand gelaufen werden mussten, hat ein Autofahrer die Läuferin einfach ignoriert, so dass sie schnell ausweichen musste und dabei stürzte. Leichte Schürfwunden und ein gehöriger Schreck waren die Folge. Aber dieser eine Sturz sollte das einzige derartige Erlebnis in den ganzen 56 Stunden bleiben.
1000 Pattes – die Tausendfüßler…
… nennt sich die Laufgruppe aus dem französischen Mâcon, die die Läufer aus dem Gäu empfangen und ein Stück des Wegs begleitet hat: Erfrischungen und Souvenir-T-Shirts für jeden waren die netten Gaben der Sportler in den auffällig gestalteten Trikots.
Ins Stadtarchiv…
… kommt jetzt der Staffelstab, der die Läufer die gesamten 640 Kilometer begleitet hat. Angefertigt worden ist er in der Astholwerkstatt in der Dorfgemeinschaft Tennental. Mit den Farben der französischen und deutschen Farben gestaltet, trug er zweisprachig die Aufschrift: Staffellauf Herrenberg Tarare, 24. bis 26. Juni 2010.
Prüfungen fürs Sportabzeichen…
… haben die Insassen eines Busses abgelegt: Weil sie am ersten Tag ihre Pause in einem Freibad verbracht hatten und außerdem Thomas Schuker dabei war, der das Sportabzeichen abnehmen darf, kamen schon zwei Faktoren für die Schwimmprüfung für das deutsche Sportabzeichen zusammen. So gingen die Läufer für die 200- oder 300-Meter-Distanzen ins Wasser und erfüllen allesamt die vorgegebenen Zeiten.
Ein Naturfreibad ganz für sich…
… hatten Claudia Brenner, Volker Breneke, Peter John, Bruno Köngeter und Esther Hauth, als sie in Glatten ankamen. Denn eigentlich war das Bad zu diesem Zeitpunkt geschlossen. Ein netter Angestellter öffnete aber die Tür für das Quintett, das sich so fein erfrischen konnte.
Ein freundlich gesinntes Gehupe…
… veranstalteten die Franzosen, als die Läufer alle gemeinsam in Tarare einliefen und dabei die Straße über einen Kilometer ganz und dann eine zweispurige Straße zur Hälfte blockierten. Denn als die Autofahrer endlich den trabenden Tross überholen konnten, gab es durchweg eine Gewinke und Gejohle, ein Gehupe und Gegrüße der allerfreundlichsten Kategorie und nicht ein Murren wegen der Verkehrsbehinderung.
Holger Wilms