24.10.2009

19. Alb Marathon in und um Schwäbisch Gmünd

Die Schwaben gelten als sehr bescheidenes Völkchen. Nur manchmal wäre ein bisschen weniger auch nicht schlecht. Wie zum Beispiel beim Alb Marathon. Während man bei einem normalen Marathon am 42 Km Schild schon den Zielbogen sehen kann, folgen beim Alb Marathon noch weitere 7 Kilometerschilder bevor man sich endlich auf den Zielkanal freuen kann.

Samstag, 24.10.2009: Die 19. Auflage des Alb Marathon steht an. Rund 1000 Teilnehmer warten auf den Start zum 25 Km- bzw. 50 Km Lauf. Der zähe Nebel, der uns die Hinfahrt erschwert hat, ist mittlerweile verzogen und hat der Sonne Platz gemacht.
Ich stelle mich wie üblich in der zweitletzten Reihe auf. Die letzte Reihe ist schon besetzt und die Läufer dort haben ausreichend Abstand zum Feld gelassen, damit sie nicht mehr von ihrem Startplatz verdrängt werden können. Da die Vorbereitung nur eine Tour über 30 Km aufweist, ist das schlechte Gewissen seit Tagen ein Begleiter.
Start ist pünktlich um 10 Uhr. Zunächst führt uns eine kleine Schleife durch Schwäbisch Gmünd, dann geht es hinaus in idyllische Wälder. Die Strecke verläuft ziemlich flach bis zur ersten Verpflegungsstelle kurz vor Kilometer 7. Dort kommt von hinten eine sehr junge Läuferin angesprintet und übergibt ihr Startnummernband an einen Läufer, der sie für ihren Einsatz lobt. Sie gehören zu einer von insgesamt 20 Staffeln, die sich den 50 Kilometerlauf teilen.
Bei ca. Kilometer 13 ist der Fuß des Hohenstaufen, dem ersten der drei Kaiserberge, die heute überwunden werden müssen, erreicht. Der Großteil der Läufer verfällt ins Gehen. Rund einem Kilometer weiter folgt ein etwas flacheres Stück, auf dem sich sich die dritte Verpflegungsstelle befindet. Hier gilt es nochmal Kraft tanken, denn nun beginnt der eigentliche Anstieg. Ein einsamer Zuschauer steht am Rand und feuert uns mit den sehr motivierenden Worten: „Jetzt geht’s richtig los!“ an.
Zuschauer sind hier zwar Mangelware, aber die herrliche Natur entschädigt. Ein Mitläufer trägt einen Laufschuh aus den 80ern. Er wird angesprochen und es bildet sich eine Gruppe um uns. Durch die nicht gerade ernsthafte Diskussion lenken wir uns vom Anstieg ab.
Nach einem halben Kilometer bergauf sausen uns Läufer entgegen, das heißt oben muss ein Wendepunkt sein. Dieser befindet sich tatsächlich am Gipfel. Wer Lust hat, kann oben ein wenig verweilen und die Aussicht genießen.
Es folgt der Abstieg vom Hohenstaufen ehe uns der Weg weiter zum Hohenrechberg führt. Bei Kilometer 24 steht eine Blaskapelle in einer 180°-Linkskurve. Hier beginnt der Anstieg zum Hohenrechberg. Da sich oben das Ziel des 25 Km Laufs befindet, man aber nur zu Fuß wieder vom Berg runter kommt, ist auf diesem Teil der Strecke richtig was los. Permanent kommen uns 25 Km-Läuferinnen und Läufer mit Begleitung entgegen und manche sind sogar noch in der Lage uns anzufeuern. Oben gibt’s einen Streckensprecher und einen Zielkanal für die 25er. Für uns „nur“ eine sehr reichhaltige Verpflegungsstation.
Es folgt der schlimmste Teil der Runde. Auf einem asphaltierten mit feuchtem Laub übersäten Weg geht es steil und glitschig bergab. Von Tempo machen kann hier keine Rede sein. Ich rutsche und bekomme von dem Läufer vor mir – halb schmuzelnd, halb ernst – zu hören: „Mach keinen Scheiß. Ich bin kein Ersthelfer.“
Kaum unten angekommen geht es schon wieder leicht bergan. Ein Alb Marathon-Veteran sagt, dass wir den folgenden Anstieg zum Stuifen gar nicht mehr als Berg wahrnehmen würden… Von wegen. Ein paar Meter weiter zeigt sich die Realität. Die Strecke biegt vom breiten Waldweg auf einen Single-Trail ab. Dieser ist zwar anfangs noch flach, aber dann geht es über Wurzeln steil bergan, sodass mal wieder wandern angesagt ist. Es geht zwar nicht bis ganz auf den Gipfel, trotzdem erreichen wir am Stuifen mit 720 Metern den höchsten Punkt der Strecke.
Wieder zurück am Fuß des Stuifen sind 32 Km geschafft. Es beginnt die übliche Unsitte bei Landschaftsläufen. Erfahrene Läufer und vor allem Zuschauer quittieren ab jetzt jeden Anstieg mit den Worten: „Das ist der Letzte, danach geht es nur noch bergab“. Da im Streckenprofil auf dem letzten Kilometer noch ein Anstieg eingezeichnet ist sind diese nett gemeinten Worten nicht mehr als heiße Luft.
Es geht nun auf einer Straße zum letzten Wendepunkt. Da beim Alb Marathon gelegentlich deutsche Meisterschaften im Landschaftslauf ausgetragen werden, ist die Strecke exakt vermessen und mit insgesamt drei Wendepunkten versehen. Der erste oben auf dem Hohenstaufen, der zweite am Stuifen und der dritte hier. Zu allem Überfluss ist hier auch noch ordentlicher Gegenwind zu spüren und es geht mal wieder leicht bergan. Trotzdem ist es noch möglich zu laufen. Die ganze Zeit kommen uns Läufer entgegen. Dann geht es auf eine kleine Schleife, die noch einen satten, aber zum Glück nicht langen Anstieg enthält ehe wir dann den Wendepunkt erreichen und uns nun auf den Bergabteil freuen dürfen.
Leider geht es nicht permanent bergab, sondern es folgen immer wieder kleine Gegensteigungen. Die Anstiege sind bei weitem nicht mehr so anstrengend wie die drei Kaiserberge, die hinter uns liegen und auch nicht steiler als die sanften Anstiege auf den ersten 15 Km, die von fast allen locker hinaufgelaufen wurden. Trotzdem genügen sie nach über 35 Kilometer um aus Läufern wieder zu Wanderer zu machen.
Spätestens bei Kilometer 40 beginnt das Ziel magisch anziehend zu wirken, obwohl noch 1/5 der Strecke zurückzulegen ist. Aber es ist meist flach bis leicht abfallend. Trotz der ungewohnten Länge kann ich mich noch über genügend Reserven freuen und den Schlappschritt gegen Lauftempo tauschen. Ein paar Läufer sind überraschenderweise noch relativ gesprächig, sodass man sich gegenseitig über die letzten Kilometer ziehen kann. Die letzten 10 Kilometer sind folglich die einzigen, die ich unter 1 Stunde absolvieren kann.
In Schwäbisch Gmünd steht eine Zuschauerin am Rand. Sie ist voller Elan und Temperament und feuert jede noch so zerknitterte Gestalt frenetisch an. Wer noch den Arm heben kann wird mit voller Wucht abgeklascht, dass der Arm fast wegfliegt, und von ihr auf die letzten Meter geschickt.
Rund 50 Meter vor dem Ziel rauscht ein Läufer von hinten an und fordert mich zum mitkommen auf. „Nein“, denke ich, „jetzt bin ich 5 1/2 Stunden unterwegs, auf die 5 1/2 Sekunden kommt es jetzt auch nicht mehr an.“

Fazit: Der Schwäbische Alb Marathon gehört definitiv zu den größten Schmuckstücken in der Läuferlandschaft, die ich bisher gesehen habe. Die Strecke ist zwar anspruchsvoll, dürfte aber auch ohne spezielles Bergtraining gut machbar sein. Die Organisation ist perfekt und selbst der Nachmelde-Preis in Euro liegt beim 50er unter der Distanz in Kilometer. Ein Funktionsshirt und eine Medaille sind im Preis inbegriffen. Kein Wunder, dass es unter den Läufern etliche Wiederholungstäter gibt, die diesen Lauf als schönen Saisonausklang nutzen.

Markus Weisse