22.10.2011

21. Albmarathon

Am Donnerstag abend kam der Anruf: “Du, Markus, wir haben doch gesagt, wenn beim Albmarathon schönes Wetter sein soll, dann gehen wir hin.” – “Hmm, äh, ja … aber ich fühle mich nicht so als ob ich ‘nen 50er laufen könnte.” – “Ich auch nicht”. – “Gut dann gehen wir hin!” – “Wir können ja auf der Fahrt noch entscheiden ob wir uns für die 50 oder nur die 25 anmelden…”

Eigentlich heißt es ja “Es gib kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung”. Aber nachdem wir erst im August 52 Km durch’s Karwendelgebirge geschwommen sind, muss das jetzt nicht schon wieder sein (ja, gut, es hat da nicht von Anfang bis Ende geregnet, auf dem letzten Gipfel hat’s geschneit…). Soll keine Entschuldigung sein … nur eine Ausrede.

Wie vorhergesehen verirren wir uns natürlich in Stuttgart, schaffen’s aber trotzdem rechtzeitig nach Schwäbisch Gmünd. Damit ist auch dieses Hindernis ausgeräumt. Zehn vor neun sind wir im “Prediger” zum nachmelden, um 9 ist offiziell Anmeldeschluss.
Ich fülle unsere beiden Zettelchen, Haken wird natürlich bei den 50 gesetzt. Hmm, was machen denn die vielen Leute eigentlich hier? Und warum stehen die alle hintereinander? Ach du sch… alles Nachmelder, das wird dauern.

Die Nachmeldung ist aber gut durchorganisiert. Es geht deutlich schneller voran als erwartet. Uns bleibt noch ein bisschen Zeit durch Schwäbisch Gmünd zu spazieren. Abgesehen von Jungs und Mädels in ihren hautengen Höschen ist noch nicht viel los.

Fünf vor Zehn sieht das plötzlich ganz anders aus. Der Platz in der letzten Reihe ist hart umkämpft. Wir verlieren ihn und stehen irgendwo im hinteren Mittelfeld als der Startschuss fällt. Die ersten hetzen natürlich wieder los wie verrückt (gut, die sind auch schon wieder geduscht und auf dem Heimweg, wenn bei uns noch nicht mal der Hammermann aufgewacht ist). Wir stehen und harren der Dinge. Dann setzt sich die Masse gemächlich in Gang, erst ein langsames Gehen. Kurz nach der Startlinie wird ein ganz langsames Schleichen mit minimaler Flugphase daraus. Das muss als Tempo heute reichen.

Die Strecke führt zunächst flach aus der Stadt heraus. Auf dem Boden steht schon eine “48″. Bloß nicht dran denken wie wir uns da fühlen werden.

Es bleibt genug Zeit zum gemütlich Einrollen. Vorbei an weißen Wiesen (nein, kein Schnee, nur Reif) verläuft die Strecke größtenteils im Schatten. Es ist frisch. Aber die Sonne lacht schon und verspricht, dass es bald wärmer wird, spätestens am ersten Berg … aber bis dahin haben wir noch Zeit.

Noch ist das Feld dicht beisammen. Nicht so, dass man sich gegenseitig auf die Fersen tritt, aber wer den Start verschlafen hat und jetzt die Masse überholen möchte, hat es schwer. Mehr als 3 oder 4 Leute passen eben nicht nebeneinander.
Schuld an allen sind nur die 25er und die PowerWalker! Dazu später mehr, zuerst was sind eigentlich “PowerWalker”? Per Definition in der Ausschreibung sind das alle Walker, die glauben 25 Kilometer mit 780 Höhenmetern in 3 Stunden und 40 Minuten schaffen zu können. Das ist nämlich das Zeitlimit für die Walker, und nur für die Walker :-) für die Läufer gibt es keins! Wahrscheinlich glauben die Organisatoren, dass es keine so lahmen Läufer gibt (wenn die wüssten…) oder alle Läufer, die länger brauchen werden automatisch zu Walkern (nicht PowerWalker, denn die sind ja schneller) degradiert.

Der Wald ist herrlich. Mein Laufgefühl auch. Wenn nur der linke Oberschenkel nicht wäre. Irgendwas ist am Mittwoch beim lockeren Läufchen schief gelaufen. Seit dem zwickt der hintere linke Oberschenkel. Knapp drei Tage Pause waren wohl nicht ausreichend.
Zweiter Wermutstropfen ist die B29. Die ist nämlich nur ein paar Meter unter uns. Nicht unbedingt sichtbar, aber teilweise hörbar.

Jeder Kilometer ist markiert. Sie fliegen uns förmlich entgegen. So locker und leicht geht es. Als ich Isolde auf den sechsten Kilometer hinweise, haut es sie fast um. “Was so weit sind wir schon?” In Anbetracht der noch 44 ausstehend Km’s klingt das zwar ironisch, aber es wirkt ernst gemeint. Vielleicht sind wir zu schnell? 39 Mins nach 6 Km, ne das ist OK.

Irgendwo so bei Kilometer 7 oder 8 beginnt ein sanfter Anstieg. Das Fiese, die Steigung nimmt so langsam zu, dass man es gar nicht merkt. Extra zum ganz hinterhältig die Kräfte rauben. Bei Kilometer 10 ist dann doch ein ernstzunehmender Anstieg draus geworden. Oben steht das Ortsschild “Wäscherhof”.

Wir sind auf der Alb. Der Wald hat sich gelichtet. Vor lauter Berg gar nicht gemerkt, plötzlich waren die Bäume weg. Die Sonne lacht. Ja, jetzt ist es warm. Nja, warm ist übertrieben, vielleicht 5°C, aber die Sonne ist stärker geworden und der Anstieg hat das Seinige dazu beigetragen.

Vor uns läuft eine Dame mit einer roten Jacke auf der unübersehbar “Genussläufer” steht. “Die Jacke gibt’s nur einmal!” sagt sie. “Wir sind die, die hinten laufen.” Genauso ist es. Wir haben viel mehr Zeit um die Landschaft zu genießen.

Bei Kilometer 11,6 ist das erste Zeitlimit für die PowerWalker (und nur die PowerWalker…). 1 Stunde 35 sind gefordert. Der Blick auf die Uhr sagt 11:20 Uhr. Das heißt wir haben satte 15 Minuten Vorsprung. Sind wir gut! Viele können da nicht mehr hinter uns sein…

Eigentlich gibt man ja so etwas nicht zu, aber vorher (noch im flachen Teil) hat uns ein Nordic-Walker überholt. Ob da jetzt wirklich gar keine Flugphase drin war, sei mal dahingestellt, aber er hat auf jeden Fall zwei Stöcke mit sich rumgetragen. Das Schlimme, wir sehen ihn nach dem Überholvorgang nie wieder. Aber das bleibt unter uns!

Eine Frau in gelbem Auto (steht “Deutsche Post” drauf) will die Laufstrecke befahren. Ungeschickterweise hat sie sich als Einmündung genau die Kreuzung ausgesucht wo die Verpflegungs-Tische aufgebaut sind. “Nein, sie können da nicht durch, das sind die Läufer!!” – “Ich muss da jetzt hin, ich mache nur meine Arbeit!!!”
Keine 100m weiter biegen zwei Traktoren ungestört auf die Laufstrecke ein. Einer mit einem massiven ausladendem Hinterbau und scharfen Klingen. Mühsam schiebt er sich an einem parkenden Auto vorbei. Der ist sogar noch langsamer als wir. “Wenn wir 6 Stunden und 5 Sekunden brauchen, dann ist der dran Schuld” höre ich eine Gruppe Läuferinnen mit einem Lachen sich “beschweren”.

Ungefähr bei Kilometer 13 ist das Vorgeplänkel vorbei. Jetzt geht es hinauf Richtung Hohenstaufen. Manche versuchen hier noch hochzutippeln. Wir bevorzugen das Gehen. Hat den Vorteil, dass die Fotos nicht mehr so arg verwackeln.

Kurz vor dem eigentlichen Anstieg zum Rechberg ist wieder ein Verpflegungsposten aufgebaut. Die Müsliriegel sind leider schon aufgebraucht. Die Frau neben mir meint “da sind nur die Halbmarathonläufer und die Staffeln dran schuld” – “ja, nach dem Rechberg haben wir endlich unsere Ruhe”.

Ein steiler Wiesenweg bringt uns direkt an den Hohenstaufen. Hier ist es endgültig mit Laufen aus.

Im Wald angekommen wird’s flacher, aber wandern ist eindeutig die bessere Wahl. Bei Kilometer 17 ertönen gerade die Kirchturmglocken. Das bedeutet, es verbleiben 1 Stunde und 40 Minuten für läppische 8 Km’s. Das schaffen wir locker!

Auf halbem Weg kommen uns wieder Läufer entgegen. Verirrt? Extraschleife weil die Strecke heute so kurz ist? Nein, oben ist ein Wendepunkt. Da müssen alle hin. Einmal einen Baum abklatschen und schon ist der Rechberg wieder Geschichte.
Baum abklatschen wird gestrichen, dafür wird der Ausblick mit ein paar Fotos verewigt.

Isolde ist schon wieder abgehauen. Hat sie schon an den Verpflegungspunkten so gemacht. Nur schnell was Kleines zum Trinken geschnappt und dann gleich wieder abgehauen um Vorsprung rauszuholen. Hier oben jetzt genauso. Während ich noch knipse, ist sie schon wieder halb unten. Ich fliege hinterher. Dank des Wendepunkts sehen wir, dass wir nicht die Letzten sind. Sehr beruhigend. Läufer und Walker sind hier allerdings nicht unterscheidbar, außer sie haben Stöcke dabei.

Dann geht’s scharf links auf einen schmalen Pfad. Macht richtig Spaß es hier laufen zu lassen, nur das Bild wird natürlich unscharf.

Der Wald endet, aber es geht weiter bergab. Voraus Rechberg und Stuifen mahnen zum Einteilen der Kräfte.

Es folgt nun ein ständiges Auf und Ab. Auch der Untergrund wechselt.

Der Rechberg naht. Das Zwicken im Oberschenkel hält sich in Grenzen, mal mehr mal weniger. Mein Allgemeingefühl ist prima. Das Wetter ist traumhaft. Die Entscheidung also schon vor dem zweiten Kaiserberg klar: Die 50 werden gelaufen!
Isolde wägt noch ab. Schwer wird es werden. Die Vorbereitung war einfach zu lasch. Aber bei dem Wetter in den Bus sitzen, sich nach Schwäbisch Gmünd fahren lassen und dort in einem Cafe warten, weil es zum Draußensitzen dann doch zu kalt ist? Nein, dann lieber laufen. Außerdem soll die zweite Hälfte eh schöner sein.

Am zweiten Berg ist richtig was los. Ständig kommen uns Leute entgegen, obwohl oben gar kein Wendepunkt ist. Wie sind die da rauf gekommen und was haben die da oben getrieben?
Des Rätsels Lösung ist ganz einfach. Zum einen ist der zweite Kaiserberg, der Rechberg deutlich leichter als die anderen beiden Berge. Er ist komplett asphaltiert, die Steigung ist noch laufbar (außer heute natürlich…) und nur einen Kilometer lang. Unten im Dorf klatscht man die 24 Kilometer Marke ab und oben angekommen ist Km 25 und damit die Hälfte der Strecke geschafft. Und somit sind wir auch beim eigentlichen Grund für die vielen Leute: Oben ist das Ziel für die “Halbmarathonis” (eigentlich 25 Km Läufer) und die PowerWalker. Das heißt: Die sind wir jetzt endlich los :)
Nein, jetzt ist gut, genug auf den 25ern rumgehackt. Bei 90% meiner Lauffreundschaften würde Schwärmen für einen 25 Km langen Lauf mit 780 Höhenmetern zu der Antwort führen: “Du bisch doch nemme ganz sauber!” Von den Nichtläufern ganz zu schweigen. Der 25er ist nicht ohne und jeder, der den durchsteht hat Respekt und ein dickes Lob verdient (und die Empfehlung 2012 mal den 50er zu probieren).

“Die haben jetzt das schlimmste geschafft” – “Die haben aber erst die Hälfte” – “Ja, aber jetzt geht’s mehr runter als hoch” – “Das sind trotzdem nochmal 25 Km. Die müssen auch erst noch gelaufen werden.”
So in der Art lauten die Diskussionen, der Zuschauer/Läufer/Walker am Wegrand, die vom 25Km Ziel wieder zurück ins Dorf gehen und sich auf den Weg zur nächsten warmen (!) Dusche, Kuchentheke etc. machen. Und wir? Wir haben noch 25 Km vor uns , die “auch erst noch gelaufen werden” müssen…

Oben angekommen werden wir erst mal namentlich begrüßt. 3h03 zeigt die Uhr, d.h. 9 Minuten langsamer als 2009. Also voll im Plan. Die Zeit von damals ist mit der Vorbereitung ohnehin nicht zu knacken und das ist es auch nicht wert. Zu schön sind Wetter, Landschaft, Essen… oben natürlich wieder ausgiebige Verpflegung. Isolde ist schon wieder auf dem Weg nach unten. Ich lasse mir noch etwas Zeit. Beschließe die Beinlinge auszuziehen, da es im Anstieg doch warm geworden ist. Kaum sind sie aus, merke ich, das war eine blöde Idee. So warm ist es doch nicht.

Ich fliege den Abstieg hinunter. Ein schmaler asphaltierter und ein bisschen zu steiler Weg auf dem sich das eine oder andere Herbstblatt breit gemacht hat führt uns hinab. Vor zwei Jahren war es hier tückisch rutschig. Heute ist der Weg zum Glück komplett trocken und gut zu laufen.
Mit auf dem Weg sind alle 25er, die keine private Fahrgelegenheit zurück nach Schwäbisch Gmünd haben und deshalb den offiziellen Shuttle Bus nehmen. Der fährt natürlich von unten und nicht vom Gipfel. Somit wird der 25er ganz heimlich zum 26er… Alle machen artig Platz. Wirklich prima, super nett. Gibt also echt kein Grund auf den 25ern rumzuhacken. Sorry, nochmal.

Kaum sind wir den Berg unten geht’s nochmal kurz durch eine Häuseransammlung und dann Richtung Stuifen. Jetzt ist es wirklich ruhig. Das Feld ist weit auseinandergezogen (der erste ist schon fast im Ziel) und das Fehlen der 25er wird jetzt deutlich. Nach 2 Km habe ich endlich Isolde wieder eingefangen. Sie lässt es jetzt ruhig angehen, will bis Km 40 die Kräfte schonen und dann mal schauen wie die letzten 10 noch gehen. Wobei “Gehen” jetzt das richtig Stichwort ist. Auch leichte Anstiege, welche wir zu Beginn noch locker hochgetippelt wären, werden jetzt schon mit Gehpausen quittiert. Da die Vorboten des Stuifen schon erreicht sind, gibt es ausreichend Möglichkeit das Gehen zu üben.

Jeder Kaiserberg hat, zumindest was den Streckenverlauf beim Albmarathon betrifft, einen ganz eigenen Charakter. Auf den Hohenstaufen führt ein breiter Forstweg, oben ist ein Wendepunkt und eine hübsche Aussicht. Auf den Rechberg geht’s asphaltiert rauf und wieder runter. Oben ist Stimmung, weil da das 25er Ziel ist. Der Stuifen ist nun Trail pur. Der “Ho-Chi-Minh”-Pfad führt uns auf schmalen Wegchen stellenweise sehr steil hinauf. Wir sind mitten im Wald. Eins mit der Natur.

Bei Km 28, also kurz vor dem Ho-Chi-Minh Pfad haben Isolde und ich uns getrennt. Ich laufe jetzt voraus, sie schnauft hinterher. Nja, eigentlich ist es eher umgekehrt. Sie geht gemütlich den Berg hinauf, während ich wie blöd raufprügle als wäre eine Reihe Göppinger Förster hinter mir her.

An einem unübersehbaren Kreuz gibt es einen Miniwendepunkt. Nummern werden aufgeschrieben und dann geht es wieder hinab. Wir lassen den dritten Kaiserberg hinter uns.

Es folgt wieder eine Verpflegungsstelle, so etwa bei Km 33. Eine Läuferin meint sie wäre froh wenn sie jetzt schon 17 Kilometer weiter wäre. Na, da würde doch der schönste Teil fehlen! Es folgt eine nutzlose Wendepunkt-Schleife. Vielleicht 2 Km auf breiter Straße hin, dann kurz einen Buckel raufschlurfen in einen Waldweg abbiegen, nach nicht einmal 500m an einem Wendepunkt drehen und wieder zurück, dann wieder hinab in Richtung der Straße, allerdings auf einem anderen Weg, vorbei an einer weiteren Verpflegungsstelle und dann wieder auf der breiten Straße zurück.
Klingt langweilig? Ist es aber nicht. Die Straße ist zwar nicht toll und vor allem nicht flach, aber die Landschaft rund herum einfach ein Traum. Und vierbeinige Zuschauer haben wir auch! Außerdem wollen (!) wir ja die 50 Kilometer voll machen.

Der Buckel auf der Schleife ist nicht ohne. Zwar kein Kaiserberg, aber er könnte sich als Nummer vier bewerben.
Oben steht eine Kapelle und macht eine Wahnsinns-Stimmung. Kurz bevor ich sie sehe, legt sie voll los.
Das Bild wird leider nichts. Direkt gegen die Sonne. Hmm, das Wetter ist einfach zu schön…

Eine Läuferin vor mit trägt ein Shirt mit einer Rückentasche, die nach oben offen ist. Drin befindet sich eine Packung Taschentücker, die bei jedem Schritt halb raus hüpft, wieder runterfällt, wieder nach oben fällt. Ein toller Anblick.
Ich hole sie ein und erzähle ihr von der springenden Packung, woraufhin sie, ohne das Tempo zu drosseln, in den Rückentaschen umsortiert und die Taschentücher in einem sicheren Fach mit Reisverschluss deponiert.

Km 35, jetzt kommt der Wendepunkt. Insgesamt ist das der dritte und letzte Wendepunkt. Bei so vielen Wendepunkten kann man ja gar keine schnellen Zeiten laufen! Viel zu eckig der Kurs…

Während es so zwischen Km 31 und 33 nicht so richtig lief, ist die Kraft jetzt zum Glück wieder da. Und das Ziehen im Oberschenkel, das auf der ersten Hälfte genervt hat? Weg! Einfach abgehauen. Ist wahrscheinlich irgendwo am Stuifenaufstieg aus dem Oberschenkel rausgepurzelt und hat sich im Wald verlaufen! Hoffentlich hat es sich keinen anderen Läufer gesucht.

Am Wendepunkt liegt eine Piepsematte. 4h14 unterwegs, d.h. 10 Minuten Vorsprung vor Isolde. In der Ergebnisliste steht zwar, dass der Wendepunkt bei Km 36 war, aber das Kilometerschild kurz danach sagt eindeutig 35. Nja, 1 Km hin oder her, ist heut eh wurschd…

Die Läuferin mit dem hüpfenden Taschentuchpack versägt mich an der Verpflegungsstelle. 2 Km später habe ich sie wieder. “Dich kenne ich doch, du hast mich doch schon mal überholt.” sagt sie als ich wieder aufschließe. “Ja, ich genieße die Verpflegungsstellen immer ganz besonders. Beim Karwendelmarsch habe ich mich so voll gefressen, dass ich den letzten Buckel runter hätte fast nicht mehr laufen können, aber zur Not hätte ich mich eben runterrollen lassen.”
Marietta ist noch super gut drauf und hat ein ordentliches Tempo drauf. Wir reden über’s Laufen, die schöne Landschaft, dass man den Lauf hier genießen muss, und so weiter. Gemeinsam fliegen wir von der Alb hinab. Bis wir den nächsten Verpflegungspunkt erreichen. Hier gibt es Wasser, Tee, Iso, Cola. Das ist Standard, zusätzlich wird uns noch alkoholfreies Bier und Kaffee angeboten. Außerdem gibt es Weißbrot, Bananen und Mini-Salzbrezeln. Für die Getränkeauswahl gibt’s 12 von 10 Punkten. Sagenhaft, kann mich nicht erinnern jemals so eine Auswahl gesehen zu haben. Das Essen erfüllt die Erwartungen voll. Außerdem sind die Leute super nett, quatschen ein bisschen, alle total locker und entspannt (gilt nicht nur für diesen, sondern für alle Verpflegungspunkte). Einfach schön hier zu sein.

Wie immer habe ich mir wieder zuviel Zeit gelassen. Marietta ist schon auf und davon. Am Horizont ist sie noch zu sehen.

11 Kilometer sind es noch ins Ziel. Ab hier zieht es sich dann doch ein bisschen. Es ist zwar total hübsch, aber der Weg ist noch weit. Ich laufe auf einen großen Läufer auf. Peter ist langsamer als ich unterwegs. 18 Minuten war er vor uns am Rechberg, d.h. ca. 1 Min/km beträgt unser Tempounterschied. Wir verfallen sofort ins ratschen und jammern beide ein bisschen über die mangelnde Vorbereitung (30 Km pro Woche). Da er nur unweit von Schwäbisch Gmünd wohnt, lerne ich die Umgebung jetzt besser kennen. Der Gesprächsfaden reißt nie ab.

Ah, was ist denn das auf der Straße? “42,2″, ist das für uns? Schnell die Kamera gezückt. Vor lauter reden, ganz den Foto vergessen.

Wir erreichen einen schmalen Radweg. Er erklärt mir, dass das hier früher eine Bahnlinie war. Haben die wirklich hübsch umgebaut. Hier sind jetzt auch wieder “normale” Menschen unterwegs, z.T. mit Rennrad im flotten Tempo. Dafür ist der Weg aber wirklich fast zu schmal. Andererseits sind die Abstände jetzt so groß, dass man ohne Startnummer uns nicht von normalen Joggern unterscheiden könnte. Hmm, obwohl, … doch am Tempo vielleicht, “normale” Jogger sind gewöhnlich schneller.

Dank des ruhigeren Tempos und des anhaltenden Gesprächs läuft es wieder total leicht, fast wie auf den ersten Km’s. Die Kilometerschilder fliegen zwar nicht mehr so entgegen, aber sie kommen unaufhaltsam. Und da ist schon Schwäbisch Gmünd zu sehen mit dem Münster. Direkt daneben ist das Ziel. Vielleicht 500m Luftlinie bis zum Münster. Eigentlich fast da! Von wegen, auf dem Km-Schild steht eindeutig “45″!

Auch wenn das Ziel zum Greifen nah scheint, die Zahlen am Streckenrand bzw. auf dem Boden lügen nicht. In einem Bogen führt uns die Strecke an Schwäbisch Gmünd vorbei bis wir am anderen Ende der Stadt wieder bekanntem Boden erreichen, eine “48″ und eine “2″ stehen da. Da waren wir doch heute schon mal. Gedanklich waren wir schon vor Stunden bei der 48, jetzt sind wir es auch physisch, dafür nicht mehr gedanklich…

Wir erreichen die Fußgängerzone. Hier ist jetzt wieder was los. Ein paar hundert Meter sind es noch ins Ziel. Vor zwei Jahren hat mich hier einer überspurtet und gemeint “auf komm mit” (wurde damals großzügig ignoriert), diesmal fliegen vier oder fünf Mädels an uns vorbei, die uns gerade noch zugejubelt hatten. Wahrscheinlich eine Staffel, die das Warten auf das letzte Staffelmitglied durch anfeueren überbrückt hat.

Zusammen mit Peter erreiche ich das Ziel. 6h08 zeigt die Uhr. Durch das Quatschen haben wir uns super über die letzten Kilometer gerettet.
Marietta hat uns gnadenlos versägt. Auf den letzten 11 Km’s hat sie uns über 16 Minuten abgenommen. Wahnsinn. Aber sie wartet jetzt am Rand des Zielkanals und ist froh, dass es mit dem Laufen für heute erst mal genug ist.

Keine 6 Minuten später erreicht Isolde das Ziel. Durch das ruhige Tempo hatte ich am Schluss Angst, dass sie mich wieder einholt. Tatsächlich hat sie den Abstand deutlich verkürzt (zur Erinnerung bei der letzten Piepsmatte waren es 10 Minuten).
Sie hatte ab Kilometer 40 aber wirklich zu kämpfen. Statt quietschfidelem Gehopse waren bei ihr Gehpausen auch in der Ebene nötig.

Damit wären wir auch beim Fazit. Die Vorbereitung war wirklich zu lasch. Dass man mit den paar Wochenkilometern einen 50er machen kann, überrascht uns selbst. Wenigstens eine Hand voll 20 Km Läufen in der Vorbereitung wären nicht verkehrt gewesen und hätten die letzten Km’s wahrscheinlich ein bisschen leichter gemacht.
Trotzdem, der Tag war einfach genial. Traumhaftes Wetter, eine perfekte Organisation, super nette Leute auf und an der Strecke, eine wunderschöne Herbstlandschaft, erstklassige Verpflegung… mehr fällt mir nicht ein, aber ich habe bestimmt was vergessen.

Ah, ja genau. Die Geschichte mit den Göppinger Förstern. Nachdem 20 Jahre lang der Hohenstaufen platt getreten wurde, entschied die Göppinger Forstbehörde dieses Jahr, dass das so nicht mehr geht. Wenn da einmal im Jahr so viele hochrennen, dann ist der bald plattgetreten und wir haben keinen Hohenstaufen mehr (so, oder so ähnlich war die Begründung). Zum Verabschieden dürft ihr in 2011 nochmal hoch aber dann ist Schluss.
Der Aufschrei im Läuferlager war natürlich groß. Das geht nicht, “Albmarathon” ist nur der Deckname, eigentlich heißt der Lauf “Drei-Kaiser-Berge-Lauf”. Den können wir nicht einfach in “Zwei-Kaiser-Berge-Lauf” umbennen.
So wurde der 21. “Drei-Kaiser-Berge-Lauf” dann zum Protestlauf mit entsprechenden T-Shirts, Petitionen, etc.

Das Ende vom Lied. Die Forstbehörde hat kurz nach dem Lauf eingelenkt und gesagt, dass sie einen 22. “Drei-Kaiser-Berge-Lauf” gestattet. Tolle Sache, wir werden es mit Wiederkommen belohnen.

Zum Abschluss noch der Lohn der Mühen: